Viele Familien leben in der Nach­bar­schaft. Sie laufen im Park in Rich­tung Schule und Kita an dem Museum vorbei. Manche Er­wachsene haben noch nicht be­merkt, dass das Kollwitz-Museum in den Theater­bau vom Schloss Charlotten­burg ein­ge­zogen ist. Plötz­lich er­zählen ihre Spröss­linge beim Vor­bei­gehen von Frau Kollwitz und ihren Werken.

Diese Kinder be­suchen regel­mäßig das Museum. Schritt für Schritt nähern sie sich diesem be­sonderen Ort, der Welt von Käthe Kollwitz und ihrer Kunst.

Aus welchen Buch­staben be­steht ihr Name? Wann wurde sie ge­boren, und welche Spiele spielten Kinder da­mals? Kann man mit 53 Jahren noch etwas Neues lernen?

In kleinen Schrit­ten nehmen sie alles auf. Das ge­lingt, weil Kita und Schule in Lauf­nähe liegen. Immer wieder kehren sie zu­rück, streifen durch die Aus­stel­lung, zeichnen die Plastik Mutter mit zwei Kindern und wählen ihre Lieb­lings­bilder aus.

Die Vor­schülerin Mia ent­scheidet sich für Konrad ruft der Tod. Alle Kinder ver­sam­meln sich vor dem Bild, während Mia er­klärt, warum sie es ge­wählt hat: „Die Bar­füßige ist Frau Kollwitz, auf der Bank sitzt ihr Bruder. Als sie vor­bei­geht, ruft er beim Auf­stehen: „Käthe, zieh deine Schuhe an!“ Sie mag diese Geschichte. Ein Kind wirft ein: „Oder sie wollen gerade zu einem Bar­fuß­pfad und er will seine Schuhe auch aus­ziehen.“ Die Gruppe ist un­eins – die Deu­tung bleibt offen. Wir setzen unseren Rund­gang zum nächsten Lieb­lings­bild fort.

Die Besuche ge­stalten sich in enger Zusammen­arbeit zwischen MuseumsOutreach und einigen außer­gewöhn­lich en­gagierten Er­zieherinnen. Sie nehmen ihren Bildungs­auf­trag ernst und möchten ihren Kindern weit über das all­gemein Er­wartete hin­aus die Augen für Kultur, kreatives und selbst­ständiges Denken sowie Eigen­ver­ant­wortung öffnen. Letzt­lich geht es ihnen darum, re­flek­tierte, ver­ant­wortungs­be­wusste und aktive Bürgerinnen der Demo­kratie heran­zuziehen. Das trifft sich gut mit den Zielen des Museums, das die Kunst und Werte der sozial en­gagierten Käthe Kollwitz für alle Alters­gruppen – auch für die jüngste Gene­ration – er­fahr­bar machen möchte. Es sind prozess­orientierte und ex­perimentier­freudige Projekte. In einem in­formellen direkten Um­gang mit­ein­ander werden Arbeits­stunden in­vestiert und ge­testet, was mach­bar ist, wenn Erzieherinnen und Museums­päda­goginnen von der Kon­zeption bis zur Um­setzung auf Augen­höhe zusammen­arbeiten. Es ent­steht eine Fusion ver­schiedener Exper­tisen, die den Kindern zu­gute­kommt.

Die Vor­schul­kinder der ASB Kita am Schloss­park sind unter der An­leitung des Er­ziehers Johannes Hauenstein in­zwischen er­fahrene Museums- und Kultur­gänger. Jeden Diens­tag ist ihr Welt­erforschungs­tag, an dem sie berlin­weit unter­wegs sind. Sie er­kunden, ent­decken, zeichnen, dis­kutieren und er­finden. Seit Sommer 2024 dient Käthe Kollwitz als thematischer Aus­gangs­punkt. Nach mehreren Besuchen im Kollwitz-Museum er­gaben sich logische An­schluss­aus­flüge, etwa zu dem großen Vor­bild von Käthe Kollwitz, Auguste Rodin und seinem Denker in der Alten National­galerie oder zu his­torischen Fort­bewegungs­mitteln im Technik­museum.

Die Schul­kinder der Schinkel-Grund­schule haben unter der An­leitung der Er­zieherin und Theater­pädagogin Maren Scheeder auch schon mehrere Kunst­projekte hinter sich. Während der offen ge­stalteten Work­shop­termine im Museum ent­wickelten sie nicht nur ihre krea­tiven Fähig­keiten weiter, sondern übten auch, Ideen zu formu­lieren und zu ver­folgen sowie sich demo­kratisch selbst zu organi­sieren. Besonders inter­essant fanden sie, welche Ge­fühle die Kunst­werke in ihnen her­vor­riefen. Hier er­gänzten sich Exper­tisen von Museums­vermitt­lung und Theater­pädagogik ideal: Durch körper­liche Selbst­er­fahrung sowie das Nach­stellen be­stimmter Hal­tungen und Emotionen er­schloss sich den Kindern ein neuer Wahr­nehmungs­zugang zu Kollwitz’ Werk.

So stellten sie bei­spiels­weise den Turm der Mütter von Käthe Kollwitz nach und fragten sich: Wer schützt wen? Wie fühlt sich das an – warm, ge­borgen oder viel­leicht be­engt? An­schließend suchten sie passende Bilder zu ihren Em­pfindungen und brachten diese zeichnerisch zum Aus­druck. Aus dieser Übungs­reihe ent­stand schließ­lich ein Kinderflyer, mit dem die Aus­stel­lung eigen­ständig er­kundet werden kann.

Die Ein­ladung an die Eltern und das Präsen­tieren der eigenen Werke und neuen Fertig­keiten haben für die Kinder einen hohen Stellen­wert. „Kommt und seht, was wir alles ge­schaffen haben!“ Die Ein­ladungen wurden ver­schickt und die Eltern folgten ihnen – einige sogar mehr­fach.

In einer Familie besucht die jüngere Tochter die ASB Kita am Schloss­park. Gemein­sam mit ihrer Gruppe sang sie mit der „Kita a cappella“ im Foyer des Museums, unter anderem ein Lied über Frau Kollwitz.

„Da gibt es ein Museum
Direkt ganz nah am Schloss
Mit Bildern und Skulpturen im Erdgeschoss
Geschaffen von Frau Kollwitz
Wie schön die sind
Und ich bin, ich bin ja ein Museumskind“

 

 

 

Die ältere Tochter der Familie be­sucht bereits die Schinkel-Schule und hat im Museum Bilder ge­druckt. Nun führt sie gemein­sam mit ihren Schul­kameraden aus der Ganz­tags­betreuung ein kleines Theater­stück auf, das zu ihren Werken passt.

Stolze Eltern, strahlende Kinder­augen. Die jüngere Schwester unseres ehe­maligen Schüler­praktikanten ist eben­falls dabei. Neue Ver­bindungen ent­stehen und festigen sich. Man kommt ins Ge­spräch. Das Kollwitz-Museum be­ginnt, in der Nach­bar­schaft Wurzeln zu schlagen.

Impressum:

 

Kooperationspartner:

ASB Kita am Schlosspark

Erzieher: Johannes Hauenstein

2024 Herbst / 8 Termine + Präsentation

Offener Ganztagsbereich des Pestalozzi-Fröbel-Haus an der Schinkel-Grundschule

Erzieherin: Maren Scheeder

2024 Herbst / 7 Termine + Präsentation

 

Text: Barbara Antal / Projektleitung und Durchführung