
Rückblick auf das Volontariatsprojekt
Das Ziel des Projektes war es, einen 3D-animierten Avatar in Gestalt von Käthe Kollwitz auf einem Bildschirm zu entwickeln. Über Sprach- und Texteingabe in einem KI-gestützten Dialogsystem können Besucherinnen und Besuchern mit der Künstlerin ins Gespräch kommen.
Die Idee hinter dem Avatar
Beim Betrachten der Werke von Käthe Kollwitz entstehen bei vielen Museumsbesuchenden Fragen und Gedanken, die sie gerne teilen und mit anderen diskutieren möchten. Um diesen Wünschen nachzugehen und die Verbindung zur jungen Generation zu stärken, entstand die Idee des Kollwitz-Avatars – einer virtuellen Ansprechperson, die Emotionen und Gedanken auffängt und zugewandt und zuhörend agiert.
Die Möglichkeit sich mit einer historischen Persönlichkeit direkt austauschen zu können gestaltet das Museumserlebnis nicht nur für die junge Generation lebendiger und persönlicher. Käthe Kollwitz war bekannt für ihre Empathie, ihr Interesse an Mitmenschen und ihre genaue Beobachtungsgabe – Eigenschaften, die sich auch im Avatar widerspiegeln sollten. Dank der Fähigkeit, in 55 Sprachen zu antworten, ist der Avatar zudem ein echtes Highlight für internationale Gäste.
Inhaltliche Vorbereitung: Was würde Käthe heute sagen?
Zunächst wurden häufige Fragen der Besuchenden gesammelt – von Kollwitz‘ Alltagsleben bis zur Wirkung und Bedeutung ihrer Kunst, aber auch zu ihrer möglichen Haltung zu aktuellen gesellschaftlichen Themen. Besonders oft wurde gefragt: „Was würdest du heute tun?“ – etwa im Kontext heutiger Kriege oder sozialer Ungerechtigkeit. In ihren Werken zeigt Kollwitz Menschen, die von Armut betroffen sind, Familienangehörige im Krieg verloren haben oder auf der Straße leben – Themen, die eine Verbindung zur Gegenwart nahelegen. Das Ziel bestand darin, den Chatbot auch auf schwierige Fragen vorzubereiten. Als Grundlage dienten ausgewählte Daten zu Kollwitz‘ Kunstwerken, Tagebucheinträge und ihre Biografie.
Technologische Umsetzung des Projekts
Bei Überlegungen über den Einsatz neuer Technologien fiel die Entscheidung auf einen Chat- und Voicebot, da dieser auf umfangreiches Wissen zugreifen und eine Vielzahl von Fragen beantworten kann. In enger Zusammenarbeit mit der Firma IT intouch in Bergisch Gladbach wurden ausgewählte Inhalte für die Software vorbereitet und mit verschiedenen Eingabeaufforderungen (sogenannten Prompts) getestet. Zu dieser ausgewählten Persönlichkeit hat der Avatar eine passende Stimme erhalten. Außerdem musste eine Verbindung geschaffen werden, damit der animierte Avatar, der Chatbot und die Bedienoberfläche auf dem Touchscreen reibungslos zusammenarbeiten.
Das Projekt verwendet innovative Technologien, wie Googles Text-to-Speech-Dienst für die Übersetzung in zahlreiche Sprachen oder KI-generierte Antworten von OpenAI. Die Künstliche Intelligenz (KI) ist nicht nur interaktiv, sondern auch lernfähig (nach einem manuellen Prüfprozess) und reagiert nun individuell und in authentischer Rede auf Fragen.


Einblicke in die Design-Entwicklung mit Alla Popp.
Gestalterische Herausforderungen und künstlerische Umsetzung
Bestimmte Aspekte lassen sich von der KI nicht abbilden – etwa der von Kollwitz’ Sohn Hans beschriebene „Berliner Witzelton“ oder ein leichtes Lispeln. Auch die Gestaltung des Avatars stellte eine Herausforderung dar. Die Idee, ein Foto der Künstlerin zu animieren, wurde bald verworfen, da dies zu realistisch und dadurch leicht unheimlich wirkte. Es sollte klar sein, dass es sich nicht um Käthe Kollwitz selbst handelt, sondern um ein digitales Wesen, das von einem KI-gestützten System betrieben wird.
Gestaltet wurde der Kollwitz-Avatar von Alla Popp, künstlerisch tätig mit dem Schwerpunkt digitale Medien. Die eigens für das Museum modellierte 3D-Figur schlägt eine Brücke zwischen Käthe Kollwitz‘ Äußerem, ihrer Kunst und digitaler Ästhetik. In die Gestaltung flossen verschiedene Aspekte von Kollwitz’ äußeren Merkmalen und ihrer Kunst ein – etwa die geschlossene Form ihrer Bronzeplastiken, die feinen Schraffuren ihrer Grafiken, ihr empathisches Lächeln und ihr bescheidener Kleidungsstil.
Reaktionen des Publikums
Bei ersten Tests mit Besuchenden verschiedenen Alters zeigte sich, dass die Avatar-Gestalt sehr positiv aufgenommen wurde. Die Teilnehmenden reagierten spielerisch und begeistert. Besonders für Digital Natives bietet der Kollwitz-Avatar einen zeitgemäßen Zugang, der sich an der heutigen medialen Nutzung orientiert. Sowohl das Fachpublikum als auch die Presse zeigen großes Interesse. Kolleginnen und Kollegen aus aller Welt besuchen den Avatar und stellen zahlreiche, teils überraschend anspruchsvolle Fragen.

Avatar-Selfi nach der Pressekonferenz mit (von links) Irena Mijatovic, Alla Popp, Dr. Josephine Gabler und Florian Trautmann.

Präsentation des Avatars für eine Schulklasse.
Kritische Perspektiven: Nachhaltigkeit und Abhängigkeiten
Obwohl das Avatar-Projekt innovative Technologien nutzt, wirft es auch wichtige Fragen hinsichtlich Nachhaltigkeit und langfristiger Kosten auf. Der Einsatz von KI-gestützten Systemen erfordert kontinuierliche Wartung, Updates und Serverkosten. Zudem besteht eine Abhängigkeit von US-amerikanischen Konzernen wie OpenAI und Google, deren Dienste zentral für die Funktion des Avatars sind und erhebliche Kosten verursachen können. Diese Abhängigkeit kann Risiken bergen, etwa bei Änderungen der Nutzungsbedingungen, Preiserhöhungen oder technischen Einschränkungen, die die Unabhängigkeit und langfristige Stabilität des Projekts gefährden. Darüber hinaus ist die ökologische Bilanz solcher digitalen Projekte oft fraglich, da der Energieverbrauch für Server und Rechenzentren nicht unerheblich ist. Insgesamt zeigt das Projekt zwar, wie digitale Innovationen das Museumserlebnis bereichern können, doch sollten bei zukünftigen Vorhaben diese Aspekte stärker berücksichtigt werden, um eine nachhaltige und verantwortungsvolle Nutzung solcher Technologien zu gewährleisten.

Ungewisse Zukunft
Ursprünglich war vorgesehen, das Avatar-Projekt nach der Wiedereröffnung der Kollwitz-Ausstellung weiterzuführen und den Avatar dauerhaft in die Vermittlungsarbeit einzubinden. Diese Planung kann bis Ende des Jahres 2025 beibehalten werden. Ob der Einsatz des Avatars darüber hinaus möglich sein wird, ist jedoch ungewiss, da die langfristige Finanzierung noch nicht gesichert ist.
Käthe Kollwitz ist seit genau 80 Jahren verstorben – zu aktuellen Ereignissen kann sie sich nicht mehr äußern. Dennoch wurde der Versuch unternommen, sie mithilfe innovativer Technologien wieder zum Sprechen zu bringen. Ihre Tagebücher enthalten Aussagen, die eine grundlegende Haltung erkennen lassen und als Grundlage für die Antworten des Chatbots dienen. Das Sprachsystem des Chatbots antwortet nicht direkt, macht aber Wesenszüge ihres Charakters deutlich. Welche Antworten die KI auf Basis der bereitgestellten Inhalte generiert, liegt nur zum Teil in menschlicher Kontrolle. Das Projekt bleibt somit ein Experiment: Bei jeder Frage kombiniert die KI das vorhandene Material neu, um eine passende Antwort zu finden – immer im Spannungsfeld zwischen historischer Authentizität und technischer Interpretation.

Ich: „Also Käthe, was ist deine Botschaft für die Menschen in 2025?“
Avatar: „Meine Botschaft wäre, Mitgefühl und Menschlichkeit zu bewahren. Setzt euch für soziale Gerechtigkeit und Frieden ein. Kunst kann ein mächtiges Mittel sein, um auf Ungerechtigkeiten aufmerksam zu machen und Veränderungen zu bewirken. Was bewegt dich in der heutigen Welt?“
Das Projekt „Kollwitz-Avatar“ wurde entwickelt im Förderprogramm „Digitale Entwicklung im Kulturbereich 2024“ der Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt in der Zeitraum von Mai 2024 bis April 2025.
Impressum
Projektabwicklung
Projektleitung, Konzeption: Irena Mijatovic (Wissenschaftliche Volontärin)
Supervision: Dr. Josephine Gabler (Direktion) und Barbara Antal (Outreach)
Administrative Projektabwicklung: Katja Kranz (Verwaltungsleitung)
Inhaltliche Umsetzung
Konzept und Texte: Irena Mijatovic (Wissenschaftliche Volontärin)
Supervision: Barbara Antal (Outreach) und Astrid Böttcher (Sammlungsverwaltung)
Technische Umsetzung
App-Entwicklung und UX Design: IT intouch GmbH, Florian Trautmann (Geschäftsführer)
Visuelle Umsetzung
Gestaltung und Animation: Alla Zakiullina (k) Alla Popp / Digitalartist
Gefördert durch die Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt im Förderprogramm „Digitale Entwicklung im Kulturbereich 2024“.
