Käthe Kollwitz, 1906, Porträt von Philipp Kester
(Nachlass Kollwitz, Käthe Kollwitz Museum Köln (c) Münchner Stadtmuseum)

Heute, am 8. Juli 2024, wäre Käthe Kollwitz 157 Jahre alt geworden

Die welt­bekannte Künst­lerin zeichnete sich durch ihr sozial­kritisches En­gage­ment und ihre un­ver­kenn­bare individu­elle Hand­schrift aus. An­lässlich des Ehren­tages der Grafikerin und Bild­hauerin be­leuchten wir das künst­lerische Talent der Schwestern Käthe und Lisbeth und lassen Käthe selbst zu Wort kommen.

Als Käthe Schmidt wurde sie 1867 in Königs­berg in eine bildungs­bürger­liche Familie hineingeboren. Ihre künst­lerische Be­gabung wurde ebenso wie die ihrer Schwester Lise (1870-1963) früh erkannt. Von Anfang an unter­stützte und förderte der Vater das zeichner­ische Talent seiner Töchter.

„Jetzt war es dem Vater lange klar, daß ich zeich­nerisch be­anlagt war, er hatte große Freude da­rüber, und wollte mich ganz zur Künst­lerin aus­bilden. Leider war ich ein Mädchen, aber auch so wollte er alles dran­setzen. Er rechnete damit, daß, da ich kein hübsches Mädchen war, mir Liebes­sachen nicht sehr hinder­lich in den Weg kommen würden; und darum war er wohl auch so ent­täuscht und auf­ge­bracht, als ich mich bereits mit 17 Jahren an Kollwitz band“, so heißt es in den auto­bio­grafischen Auf­zeichnungen. (Tage­bücher, S. 725f.)

Lisbeth Stern, geb. Schmidt (1870-1963), die jüngere Schwester von Käthe Kollwitz, um 1900
(Fotograf unbekannt, Nachlass Kollwitz, Käthe Kollwitz Museum Köln)

Ersten Unter­richt erhielt Käthe in Königs­berg bei dem Kupfer­stecher Rudolf Mauer (1845-1905), ehe sie 1886 für ein Jahr nach Berlin gehen durfte. An der Mal- und Zeichen­schule des Vereins der Berliner Künst­lerinnen lernte sie in der Mal­klasse des Schweizer Künst­lers Karl Stauffer-Bern (1857-1891) die Grund­lagen der Malerei. Nach Königs­berg zurück­gekehrt, er­hielt sie Unter­richt bei dem Maler Emil Neide (1843-1908). Im Juli 1888 gaben die Eltern Schmidt dann die Ver­lobung ihrer Tochter Käthe mit dem Arzt Karl Kollwitz (1863-1940) öffent­lich be­kannt.

1888 ging Käthe noch einmal für zwei Jahre zum Studium an die Künst­ler­innen­schule nach München, wo sie bei Ludwig Herterich (1856–1932) zum ersten Mal Akt­studien nach einem lebenden Modell be­treiben konnte. Ab 1891 lebte sie in Berlin und begann 1898 selbst als Lehrerin für Grafik und Zeichnen an der Zeichen­schule des Vereins der Berliner Künst­lerinnen zu unter­richten.

In ihren Erinnerungen aus dem Jahr 1923 und den „Rück­blicken auf frühere Zeit“ aus dem Jahr 1941 erwähnte Käthe Kollwitz mehr­fach, dass sie ihre Schwester Lise im Malen und Zeichnen für mindestens so begabt wie sich selbst g­ehalten hatte. Auch der Vater habe in Lise eine Künst­lerin ge­sehen.

Trotz aller Liebe zu ihrer Schwester sah Käthe deren künst­lerische Arbeit mit Un­behagen und war sicht­lich er­leichtert, als diese 1893 den eben­falls aus Königs­berg stammenden Ingenieur Dr. Georg Stern (1867-1934) heiratete und einen künst­lerischen Lebens­weg an den Nagel hängte:

„Ich war fleißig und respekt­voll, und die Eltern freuten sich über jedes Blatt. Es war damals über­haupt für Vater in dieser Beziehung eine glück­liche Zeit, wir Kinder waren alle in den Ent­faltungs­jahren, Konrad dichtete, und wir führ­ten seine Tragödien auf, bei mir brach unver­kenn­bares Zeichen­talent durch und bei Lise auch. Ich weiß noch, wie ich einmal aus der Neben­stube ganz beglückt den Vater zur Mutter sagen hörte, wir seien alle be­anlagt, am meisten aber wohl der Konrad. Ein ander­mal sagte er etwas, woran ich sehr lange zu fressen hatte. Er hatte eine Zeichnung von Lise ge­sehen, die ihn er­staunte, da sagte er zur Mutter: die Lisuschen wird die Katuschchen bald ein­geholt haben. Damals empfand ich viel­leicht zuerst in meinem Leben, was Neid und Eifer­sucht heißt. Ich liebe die Lise sehr. Wir hingen engstens zusammen, ich gönnte ihr auch ein Vorwärts­kommen bis an die Grenze, wo ich an­fing, darüber hin­aus wehrte sich in mir alles. Ich mußte immer einen Vor­sprung haben. Diese Eifer­sucht ver­ließ mich durch Jahre nicht. Als ich in München studierte, war davon die Rede, daß auch Lise hin­ziehen sollte. Ich hatte wider­strebendstes Empfinden, Freude auf sie und zugleich die Befürchtung, sie könnte mein Talent durch das ihre und meine Person durch die ihre in Schatten stellen, gingen in mir hin und her. Es wurde aus ihrem Hin­kommen übrigens nichts, sie ver­lobte sich damals und hat eine gründ­liche Aus­bildung nie er­fahren.“

Käthe Kollwitz, Portraitstudie zu Lise Stern, 1928
(Käthe-Kollwitz-Museum Berlin (c) Privatbesitz)

Käthe sah aber nicht nur allein in der Heirat ihrer Schwester den Grund dafür, dass sie keine künst­lerische Lauf­bahn an­strebte:

„Wenn ich mich jetzt frage, warum Lise bei all ihrem Talent nicht Künst­lerin im eigent­lichen Sinne, sondern doch nur hoch­begabte Dilet­tantin ge­worden ist, so ist mir das jetzt klar. Ich war stark ehr­geizig und Lise nicht. Ich wollte und Lise nicht. In mir war Ziel­richtung. Dazu kommt frei­lich der Um­stand, daß ich um drei Jahre älter war als sie. So lag mein Talent früher zutage als ihres, und der noch ganz un­ent­täuschte Vater bereitete mir freudigst den Weg. Wäre die Lise härter und ego­istischer gewesen, als sie es war, so hätte sie fraglos beim Vater eben­falls die konsequente Aus­bildung durch­gesetzt. Aber sie war weich und selbst­los („Die Lise wird sich immer opfern“, sagte der Vater). So ist ihre Be­gabung nicht ent­faltet. Begabung an sich (…) hat sie mindestens soviel gehabt wie ich. Nur fehlte ihr die voll­kommene Ein­stellung darauf. Ich wollte in nichts anderem aus­gebildet werden als in dieser Sache. Hätte ich gekonnt, so hätte ich mein ganzes geistiges Ver­mögen auf­gehoben und meiner künst­lerischen Fähig­keit zuge­schlagen, damit doch bloß dieses Feuer hell brannte.“