VORTRAG
am 3. April 2025
um 19 Uhr
Eintritt 8,00 € / ermäßigt 5,00 €
Die Sammlungspräsentation kann bis 19 Uhr besucht werden.
Nehmen Sie um 18 Uhr auch gern an der Slow Art Führung mit Direktorin Dr. Josephine Gabler teil.
Mehr als der Mann an Käthes Seite
Ohne ihren Mann Karl (1863-1940) wäre das Werk von Käthe Kollwitz wahrscheinlich nicht möglich gewesen. Über die jahrzehntelange, an Turbulenzen reiche Ehe hinweg, gab er der Künstlerin Halt. „Ich kenne keinen anderen Menschen, der so liebhaben kann, so mit ganzester Seele“, hat sie es einmal zusammengefasst. Selbst auf dem Totenbett waren seine Gedanken vor allem bei ihrem künstlerischen Schaffen. „Käthe ist durch meine Erkrankung sehr behindert und angestrengt“, klagte Karl, und sie habe wochenlang seinetwegen nicht ins Atelier gehen können. Zu dieser Zeit arbeitet die Kollwitz an der Plastik „Abschied“, die im Käthe-Kollwitz-Museum-Berlin zu sehen ist. Eine berührende Hommage an ihre gemeinsame Zeit, von der sie nicht loslassen möchte.

Käthe Kollwitz, Abschied, Bronze, 1940/41 © Käthe-Kollwitz-Museum Berlin, Foto Kienzle|Oberhammer
Mit seinem unerschütterlichen Glauben an ihren gemeinsamen Bund und die zeitlose Bedeutung ihres Werkes half Karl, der unter Stimmungsschwankungen und Selbstzweifeln leidenden Künstlerin so manche Schaffenskrise zu überwinden. Käthe schätzte seine Standfestigkeit und politische Klarheit. Während ihr Weltbild verschiedene Einflüsse in sich aufnahm und Änderungen unterlag, blieb Karl sein Leben lang Pragmatiker, Sozialdemokrat und unbeirrter Pazifist.
Sein Einfluss auf den Charakter des Kollwitzschen Werkes ist ebenfalls nicht zu unterschätzen. Dass sie eben nicht zur rührseligen „Elendsschilderin“ wurde, als die man sie gern abqualifiziert, verdankt sie auch den Einblicken in die Arztpraxis ihres Mannes und den Lebensverhältnissen seiner Patienten. Diese Arztpraxis sicherte zudem über lange Jahre hinweg das finanzielle Fundament für die Familie.
Und dennoch war Karl Kollwitz sehr viel mehr als nur der Mann an Käthes Seite. Denn der bis zur Erschöpfung arbeitende Arzt und engagierte Sozialpolitiker war schon zu Lebzeiten eine Berliner Legende, den eine Zeitung sogar „Christus vom Senefelder Platz“ taufte.
Arztsein und politisches Handeln zu verbinden, galt damals als Tabubruch, war hingegen für Karl Kollwitz eine Notwendigkeit. Als Mitgründer des „Sozialdemokratischen Ärztevereins“ und Verfasser zahlreicher Aufsätze kämpfte er dafür, das Arzt-Patienten-Verhältnis ganzheitlich und nicht ausschließlich unter ökonomischen Aspekten zu betrachten. Die von ihm angestoßenen Debatten muten erstaunlich aktuell an und werden bis heute geführt.
Sonya und Yury Winterberg würdigen anhand vielfach unpublizierter Dokumente Leben und Wirken einer eindrucksvollen und zu Unrecht fast vergessenen Persönlichkeit.
Das Autorenehepaar Sonya und Yury Winterberg arbeitet seit mehr als dreißig Jahren zu Themen der Geschichte, Zeitgeschichte und Kunst. Ihre Dokumentarfilme wurden mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, ihre Sachbücher in bisher neun Sprachen übersetzt. Im Ergebnis der Auseinandersetzung mit Leben und Werk von Käthe Kollwitz entstanden unter anderem im Jahr 2015 die Biografie Kollwitz, die Ausstellung Wie war mein Leben stark in Leidenschaft – Käthe Kollwitz in Photographien und Selbstzeugnissen im Käthe Kollwitz Museum Köln sowie der Dokumentarfilm Kollwitz – Ein Leben in Leidenschaft (arte/rbb).