Käthe Kollwitz, 1925, Porträt von Hugo Erfurth
(gemeinfrei)
Vor 156 Jahren, am 8. Juli 1867 wurde Käthe Kollwitz geboren.
Anlässlich ihres Ehrentages lassen wir Käthe Kollwitz selbst zu Wort kommen. Zu ihrem 50. Geburtstag im Juli 1917 notierte die in Königsberg (heute Kaliningrad, Russland) geborene Künstlerin und Pazifistin in ihr Tagebuch:
„Mein 50. Geburtstag gewesen. So anders, als ich ihn mir früher dachte. Wo sind die Jungen? Doch war der Tag schön, ist diese ganze Zeit schön. Von so vielen Seiten wird mir gesagt, daß meine Arbeit Wert hat, daß ich etwas geleistet habe, Einfluß ausgeübt habe. Dieser Widerhall der Lebensarbeit ist sehr schön, befriedigt und gibt Dankbarkeitsgefühl. Auch ein Selbstgefühl. Aber mit 50 Jahren ist dieses Selbstgefühl nicht so ausschweifend und hochmütig wie es mit 30 ist. Es ruht auf Selbstkenntnis. Man selbst weiß am besten, wo die eigenen Grenzen nach oben und nach unten sind. Das Wort Ruhm berauscht nicht mehr. Aber es hätte anders kommen können. Bei aller Arbeit hätte es so kommen können, daß der Erfolg ausgeblieben wäre. Glück war dabei. Daß es so gekommen ist, ja dafür bin ich dankbar.“
In der Familie Kollwitz hielt man sich an feste Rituale für jeden Geburtstag, die Käthe Kollwitz liebevoll in ihrem Tagebuch schilderte. So schrieb sie beispielsweise im Juli 1923, vor 100 Jahren:
„Mein 56. Geburtstag gewesen. Früh hat Karl den Tisch so schön geschmückt, 56 Lichtchen brennen, aber nur ein klein Weilchen, dann werden sie ausgelöscht und sollen im nächsten Jahr weiterbrennen. Schöne Geschenke, der Goethe Ludwigs, der schwarzseidene Schal, vom Heinz die Girlande tanzender Figuren (…). Zu Mittag kommen Helga und unser Hans, der mir eine schöne Sammlung Prosastücke, von Hofmannsthal gesammelt, schenkt. Karl ist so lustig. Er setzt sich den Zylinder auf und tanzt mit mir. Wir spielen Ball, lesen auch aus Hofmannsthal, (von) Jean Paul den „Schwedischen Pfarrer“. So schön ist dies Zusammensein von uns vieren: Karl mir, Hans und Heinz. Hans bringt aus seinem Garten mir noch schönen Rittersporn und von der Otty eine Erdbeertorte.“
Selbst unter dem nationalsozialistischen Regime hielt die Kollwitz-Familie an diesen familiären Ritualen fest. Doch unter der verheerenden Kunstpolitik der Nazi-Diktatur und Kollwitz‘ inoffiziellem Ausstellungsverbot litt die Künstlerin merklich.
Nachdem im Herbst 1936 ihre zu einer Jubiläumsausstellung der Akademie der Künste eingereichten Arbeiten kurzfristig entfernt worden waren, zog die renommierte Berliner Galerie Nierendorf die Zusage für eine Ausstellung zum 70. Geburtstag der Künstlerin zurück. Dass die Ausstellungspläne zu ihrem runden Geburtstag scheitern sollten, nahm die Künstlerin sehr mit. In einem Brief an ihre Freundin Anni Karbe am 13.2.1937 schrieb sie:
„Die letzte, höchst gewiß scheinende Sache bei Nierendorf, (…) ist nun wieder zu Wasser geworden. Abgeblasen – Grund immer derselbe. Ich kann mich wirklich schwer an den Gedanken gewöhnen, daß ich, deren Beteiligung früher zur Ehre gerechnet wurde, jetzt zu schweigen habe. Jetzt endlich werd Ichs wohl begriffen haben.“
(In: Käthe Kollwitz, „Ich will wirken in dieser Zeit“, Berlin 1952)
Ihren 70. Geburtstag verbrachte Käthe Kollwitz untypischerweise nicht in Berlin, sondern in dem Kurort Bad Reinerz in der Nähe von Breslau. Im Juli 1937 schrieb sie ihrer Schwiegertochter Ottilie Ehlers-Kollwitz, die ebenfalls Künstlerin war, einen langen Brief, aus dem auch die schöne Tradition der Geburtstagsfeier herauszulesen ist:
„Und nun kommt erst mein Dank für Eure Geschenke zum achten. (…) Dazu das große Lebenslicht, das wir nun schon seit dem 8. Juli 1931 brennen. Vatter hatte in meiner Stube aufgebaut mit vielen Blumen. Da lagen Eure schönen Geschenke. (…) Hans, Deine Aufzeichnungen von den Kindern, Peters direkt fabelhaftes Karussel und der Mädels ebenso fabelhafte Decke. Dann noch dazu das Mittelmeerbuch und Eure lieben Briefe – so viel Schönes – so viel Arbeit in allem verkörpert – ich danke Euch von Herzen!
Am Tage vorher waren Vater und Katta gemeinsam in die Stadt gewandert und kamen geheimnisvoll zurück. Jetzt prangten zwei Flaschen Wein da und ein Füllfederhalter, den Katta mir mit einem lustigen Gedichtchen schenkte. (…) So feierten wir vier in meiner Stube mit einem köstlichen Essen (nach der Suppe Forelle, dann Brathühnchen und Eis) und der Flasche Sekt den Tag.
Dann wurde geruht und dann kam Lisens Geschenk an die Reihe: Wir fuhren in einem schönen Auto bis zur Hindenburgbaude herauf (…). Es war herrliches Wetter und die Blicke in Täler und unermeßliche Wälder so schön! Abends brannten wir dann noch einmal, diesmal wirklich siebzig Lichtchen ab (…). Ein rundes Brett, in der Mitte die große 70, ringsherum kleine Halterchen mit kleinen Lichtchen. Wir brannten sie auf dem Balkon, sie verzehrten sich in ungeheurer Schnelligkeit, in knapp einer Viertelstunde waren Glanz und Helle hin. Dann waren wir alle müde und gingen schlafen, und als ich am nächsten Morgen aufwachte, hatte ich ein zufriedenes Gefühl: so, nun bin ich rübergesprungen über die Siebzig-Grenze!“
(In: Käthe Kollwitz, „Ich will wirken in dieser Zeit“, Berlin 1952)
Jedes Familienmitglied durfte sich ähnlich schöner Geburtstagsrituale erfreuen. Eine Tradition, die auch für Käthe Kollwitz‘ Enkel fortgesetzt wurde.