Käthe an der Ostsee, um 1920
(Nachlass Kollwitz, Käthe Kollwitz Museum Köln)

Anlässlich des Ehrentages der Künstlerin, der wie jedes Jahr mitten in die Urlaubszeit fällt, laden wir Sie ein, uns an einige der Orte zu begleiten, die Käthe mit ihrer Familie während ihrer Ferien bereiste.

Zu ihrem 70. Geburtstag, am 8. Juli 1937, befand sich Käthe Kollwitz mit ihrer Familie ausnahms­weise auf Reisen, in dem Kur­ort Bad Reinerz in der Nähe von Breslau. Hier erreichten sie

„etwa 150 … Briefe, Telegramme. … Ich stehe hilflos davor.“

Im Dritten Reich hatte sie wegen ihrer Ver­femung durch die National­sozialisten nicht mit einer großen Anteil­nahme an ihrem runden Geburtstag gerechnet.  In den Jahren zuvor war die Künstlerin der zahl­reichen Gratulanten wegen immer in Berlin gewesen. Der Familien­urlaub fand daher meist zwischen April und Juni statt, wobei Karl und Käthe Kollwitz für die damalige Zeit erstaun­lich häufig und zu besonderen Orten unter­wegs waren.

Seit ihrer frühesten Kind­heit gehörte es für Käthe und ihre Familie zur festen Tradition in die „Sommer­frische“ zu fahren. Während der Kinder- und Jugend­jahre in Königs­berg verbrachte Käthe die Sommer­monate im Fischer­dorf Rauschen an der sam­ländischen Ost­see­küste. Für die Geschwister eine un­beschwerte Sommer­zeit bis in den September hinein. „Sommer­frische“ bleibt als Begriff auch in der Familie Koll­witz erhalten. Der Groß­stadt Berlin ent­floh man in der warmen Jahres­zeit nur zu gern in klimatisch an­genehmere Gegenden.

Die samländische Ostseeküste bei Rauschen heute
(Foto aus dem Archiv des Kollwitz-Museums Berlin, 2015)

Gern bereiste man Land­schaften, die zum Wandern ein­luden, wie das 1910 noch zu Österreich gehörende Latsch in Süd­tirol. Im Jahr darauf ver­brachte man den Sommer auf dem Darß, ein Jahr später wieder in Tirol. Während des Ersten Welt­krieges blieb man in Deutsch­land und wanderte beispiels­weise am Main oder an der See. Die Nach­kriegs­zeit wurde wieder zu weiteren Reisen genutzt, man startet 1919 in der Zug­spitz­gegend und wagte sich dann immer weiter weg. Erst ins Salz­kammer­gut, dann nach Ascona und sogar auf eine Schiffs­reise vom spanischen Fest­land über Madeira bis nach Teneriffa.

Überall entdeckte Käthe Kollwitz Faszinierendes, Schönes und auch Elendes:

„… nach dem Fischerdorf Connara dos Logos gefahren. Ungeheuer malerisch und grauenhaft elend. … Der Markt wie in Coruna prachtvoll. Die Fische, das Obst. Weintrinken! … Madeira mit Funchal – Teneriffa – die Häfen, das ganze fremdorientalische in der Farbe – die Schönheit der Menschen – die Vegetation – alles regt sehr auf.“

Diese Reise begeisterte sie ähn­lich wie Jahre zuvor ein Aufent­halt mit dem jüngeren Sohn Peter in Florenz. 1912 war sie auf Einladung ihrer Freundin Beate Bonus nach Fiesole gefahren und schwärmte von der südlichen Atmos­phäre:

„Alles duftet und blüht, leuchtet, es ist für mich … wunderbar. Vor allem dieses Licht. … Vor der Abreise wollen wir nach Siena und am liebsten den Apennin bis zur Ebene herauf durchwandern.“

Käthe mit den Söhnen Hans und Peter (rechts) um 1909
(Nachlass Kollwitz, Käthe Kollwitz Museum Köln)

Es wurde vieles erkundet auf den Reisen, wobei Wandern ein großes Thema in der Familie Kollwitz war. In Ascona lief Käthe 1927 allein zum Monte Verita und über Ronco zurück, während Karl zum Kamelien­fest in Locarno war. Vier Jahre später, 1931, musste sie am Garda­see lernen „in unseren An­sprüchen an Be­tätigung bescheidener zu werden“. Das hinderte die beiden über Sechzig­jährigen aber nicht daran, über Stachel­drähte und Mauern zu klettern, um in Oliven­hainen zu laufen. Landschaft­lich eine der schönsten Reisen, befand Käthe:

„Beschreiben lässt sich Schönheit ja bekanntlich nie,
sie wird nur gefühlt von dem Glücklichen,der sie sehn kann.“

Die Zeit nach 1933 schränkte den Bewegungskreis des Ehepaars Kollwitz ein, nicht nur bedingt durch das Alter, sondern auch aus finanziellen Gründen. Die Kurbäder in Böhmen waren in den Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg nun das Reiseziel von Karl und Käthe.

Käthe und Karl Kollwitz, 1934
(Nachlass Kollwitz, Käthe Kollwitz Museum Köln)

Nach dem Tod ihres Mannes 1940 unternahm die Künstlerin im Jahr darauf eine aus­ge­dehnte „Sommer­frische“ in Beglei­tung ihrer Schwester Lise an den Starn­berger See. Die innige Zeit mit der Schwester genoss Käthe sehr. Auch ihre Aufnahme­fähigkeit für Natur­ereig­nisse war unge­brochen:

“Ich ging auf dem Weg, der von Feldafing in leichtem Ansteigen in den Wald führt. Wo die Sonne untergegangen war leuchtete der Abendhimmel und wandte man sich zurück so sah man über den letzten Bauernhäusern den vollen Mond schweben in unaussprechlicher Ruhe und Frieden. Das war so im Claudiusschen Sinn Frieden gebend. Und als ich dann in den Rüstowschen Garten kam umschwebten mich schweigsam die Glühwürmchen.“