Sonderausstellung vom 7. November 2020 bis zum 7. März 2021, verlängert bis 6. Juni 2021

Die Corona-Pandemie zwingt das Berliner Kollwitz-Museum zur Absage zahlreicher Sonderausstellungen, die für dieses Jahr geplant waren.

Dieser Verzicht auf die Präsentation von Künstlern wie Max Klinger und Ida Gerhardi lenkt den Blick auf die eigene Sammlung und lässt Themen aufscheinen, die schon länger auf eine nähere Betrachtung warten.

Ein solches, in unsere Zeit reduzierter Sozialkontakte passendes Thema stellt das Motiv der Hände im Werk unserer Hauskünstlerin dar. Das Thema Berührung ist ein eigenes wissenschaftliches Forschungsgebiet. Ein angenehmer Körperkontakt löst die Angst, es werden weniger Stresshormone ausgeschüttet, das Gefühl einer Grundsicherheit stellt sich ein. Eine Berührung kann ein Signal der Sicherheit sein.

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Käthe Kollwitz verleiht in ihren Werken den Händen eine besondere Bedeutung. Sie stellt sie oft übermäßig groß dar, so dass sie das Bildmotiv dominieren.  Anfassen, tasten, schützen, fordern, stützen, beten: Berührungen unterschiedlicher Art finden sich in ihren Darstellungen. Sie zeigen Geborgenheit und Liebe, oder aber künden von Leid und Gefahr.

Die Hand fand in der bildenden Kunst des öfteren Verwendung als Motiv. Zunächst war es anatomisches Interesse an diesem Wunderwerk der Natur, gefolgt von der Vorstellung, dass die Hand das Werkzeug des Künstlergenies sei, was sich zu surrealen Gestaltformen entwickeln konnte. Somit gehörte die Hand seit Jahrhunderten zu einem beliebten Darstellungsobjekt, als emotionales Bildelement wurde sie indes seltener verwendet. Bei Käthe Kollwitz wird sie zum zentralen Motiv.

Wir laden Sie ein, zu einem digitalen Spaziergang durch unsere Sonderausstellung:

Liebe, Geborgenheit, Schutz, Trauer, Angst – Im Leben von Käthe Kollwitz spielten Begegnungen und innige Beziehungen eine wichtige Rolle. Aus ihren Tagebucheintragungen erhalten wir oftmals Eindrücke, wie sie Nähe und Distanz erlebt hat.  In ihren Werken beschäftigen sie gerade diese emotionalen Erfahrungen besonders intensiv. Dabei entstehen gefühlsstarke Bilderfindungen, die unabhängig von einem konkreten Erlebnis einen allgemeinen Gemütszustand wiedergeben. Als stärkstes Ausdrucksmittel wird dabei immer wieder die Hand verwendet, die sanft berührt oder kraftvoll fordert. Emotionen, wie Trauer, Resignation und Nachdenklichkeit werden durch Hände, die nicht selten das Gesicht verdecken, vermittelt. Durch die Lichtführung oder eine überproportionale Ausformung lenkt die Künstlerin den Blick des Betrachters auf das ihr so wichtige Motiv.

Derzeit ist physische Nähe aus unserem sozialen Leben fast vollständig verschwunden. Hände schütteln, umarmen, unter den Arm greifen, festhalten – eigentlich selbstverständliche Handlungen, die wir zurzeit nur selten wagen. Daher scheint es gerade jetzt ein guter Zeitpunkt zu sein, die Darstellung dieser Form der physischen Nähe in der Kunst genau anzuschauen. Das Werk von Käthe Kollwitz bietet eine Fülle von Ausdrucksmöglichkeiten, die es zu entdecken gilt. In ihren Bildern „sprechen“ die Hände und erzählen von großen Emotionen.

In über vierzig Arbeiten – Zeichnungen, Druckgraphiken und Plastiken – aus allen Schaffensperioden von Käthe Kollwitz folgt die Ausstellung diesem wichtigen Motiv.

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Neu in der Ausstellung:
Drei zentrale Kollwitz-Werke der Museumssammlung als Tastmodelle

Hände können auch „sehen“: Daher präsentiert das Kollwitz-Museum Berlin anlässlich dieser Herbstausstellung erstmals Tastmodelle von Werken Käthe Kollwitz‘, die während des Lockdowns angefertigt wurden. Endlich wird es auch Menschen mit Sehbehinderung möglich sein, die Werke einer der bedeutendsten Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts zu erleben. Das Käthe-Kollwitz-Museum Berlin geht damit einen weiteren Schritt in Richtung einer inklusiven Teilhabe an der Kultur. Die notwendige Barrierefreiheit erlangt das Museum dann mit dem Umzug in den Theaterbau am Schloss Charlottenburg ab 2022.