Käthe Kollwitz, 1906, vor ihrer Radierung „Carmagnole“.
(Nachlass Kollwitz, Käthe Kollwitz Museum Köln, Foto: Philipp Kester)

Anlässlich des Ehrentages der Künstlerin widmet sich dieser Beitrag dem grafischen Schaffen von Käthe Kollwitz.

Käthe Kollwitz, die am 8. Juli 1867 in Königs­berg (heute Kalinin­grad, Russland) ge­boren wurde, zählt zu den bedeutend­sten deutschen Künstler­innen des 20. Jahr­hunderts. Ihre Kunst und uni­verselle Bot­schaft „Nie wieder Krieg!“ haben auch heute nichts von ihrer Aus­sage­kraft ein­ge­büßt. Sie sind rele­vanter denn je. Einfühl­sam, mit­reißend, er­greifend: nichts kenn­zeichnet das Werk dieser Ausnahme­künstlerin besser. „Ich will wirken in dieser Zeit, in der die Menschen so rat­los und hilfs­bedürftig sind“, schrieb sie 1922 in ihr Tage­buch nieder. Dieses Lebens­motto ent­wickelte sich aus einem starken inneren Be­dürfnis her­aus und trieb die Grafikerin und Bild­hauerin in ihrem künstlerischen Schaffen vor­an. Sie be­schäftigte sich aus­schließ­lich mit der Dar­stel­lung des Menschen, schil­derte dessen Not und Leid, aber auch Freude in einer ein­dringlichen Bild­sprache. Ihre druck­grafischen Blätter ge­hören hier­bei in die große Tradition von Rembrandt, Goya und Klinger.

Käthe mit den Söhnen Hans und Peter (rechts) um 1909
(Nachlass Kollwitz, Käthe Kollwitz Museum Köln)
Karl und Käthe Kollwitz in Karlstein bei Bad Reichenhall, 1935
(Nachlass Kollwitz, Käthe Kollwitz Museum Köln)

Die Hin­wendung zur Graphik und die Be­schäfti­gung mit den proble­matischen und be­drückenden Seiten des Lebens ver­danke sie, nach eigenen Angaben, Max Klingers druck­graphischem Werk und seiner im Jahr 1891 erschienenen kunst­theoretischen Schrift „Malerei und Zeichnung“. Aber auch ihre Hoch­zeit mit dem sozial­demokratischen Armen­arzt Karl Kollwitz, die damit ein­her­gehende Über­siedlung nach Berlin an den heutigen Kollwitz­platz am Prenz­lauer Berg und die ein­ge­schränkten Arbeits­möglich­keiten in der Wohnung waren Gründe für die Künst­lerin, sich von der Malerei ab- und der Druck­graphik zu­zu­wenden. 1898 gelang ihr mit ihrem ersten druck­graphischen Zyklus „Ein Weber­auf­stand“ auf der Großen Berliner Kunst­aus­stel­lung der künst­lerische Durch­bruch. An­ge­regt von einem Drama von Gerhart Hauptmann, schuf sie den sechs­teiligen Zyklus in gleichen Teilen als Radierung und als Litho­graphie. Max Liebermann, dem sie ein Leben lang freund­schaftlich verbunden blieb, setzte sich als Mit­glied der Jury sehr für eine An­er­kennung der Künst­lerin ein. Diese wurde ihr zwar von höchster Stelle ver­wehrt, was ihrem künst­lerischen Erfolg aller­dings keinen Ab­bruch tat.

Weberzug, Blatt 4 aus dem Zyklus „Ein Weberaufstand“, Radierung 1893-1897

Losbruch, Blatt 5 aus dem Zyklus „Bauernkrieg“, Radierung 1902/1903

 

Der 20 Jahre ältere Liebermann gehörte auch zu­künftig zu ihren wichtig­sten Förderern. Unter seiner Präsident­schaft wurde Käthe Kollwitz 1919 als erste Frau in die Preußische Aka­demie der Künste ge­wählt und zur Professorin ernannt. 1928 übertrug man ihr dort die Leitung des Meister­ateliers für Grafik. Ein Jahr später verlieh man der in­zwischen welt­berühmten Künst­lerin den Orden Pour le Mérite für Wissen­schaften und Künste. Doch nicht allein der künst­lerische Erfolg trieb sie an, viel­mehr das Be­dürfnis, mit ihrer Kunst gesell­schaftliche und soziale Miss­stände anzu­prangern und etwas zu bewegen.

Jurysitzung in der Akademie der Künste Berlin mit Käthe Kollwitz und Max Liebermann, 1927
(Nachlass Kollwitz, Käthe Kollwitz Museum Köln)

Die Druck­grafik stel­lte hier­bei auf­grund ihrer Ver­breitungs­möglich­keiten das adä­quate Mit­tel für sie dar. Kollwitz setzte sich experimen­tier­freudig zunächst mit der Litho­grafie und der Radierung aus­ein­ander. Die her­vor­ragende Zeichnerin ent­deckte dann durch Werke des drei Jahre jüngeren Bild­hauers Ernst Barlach zu Beginn der 1920er Jahre auch den Holz­schnitt für sich. In ihren Grafik­folgen „Krieg“ und „Proletariat“ wandte sie den im Expressionismus wieder­belebten Holz­schnitt an. Besonders für das Thema Krieg erschien ihr diese Druck­technik mit der kontrast­reichen Schwarz-Weiß-Wirkung am geeignetsten. Ihre persön­lichen Erleb­nisse und Er­fahrungen des Ersten Welt­krieges ver­arbeitete sie in der Folge „Krieg“ von 1922: Den Verlust ihres jüngeren Sohnes Peter, der am 22. Oktober 1914 als Kriegs­frei­williger ge­fallen war. Dieses Er­eignis prägte die Künst­lerin wie kein anderes und machte sie zur Pazi­fistin. In einem Brief an den französischen Schrift­steller Romain Rolland von Oktober 1922 heißt es:

„Ich habe immer ver­sucht, den Krieg zu ge­stalten. Ich konnte es nie fassen. Jetzt end­lich habe ich eine Folge von Holz­schnitten fertig­gemacht, die einiger­maßen das sagen was ich sagen wollte. […] Diese Blätter sollen in alle Welt wandern und sollen allen Menschen sagen: so war es – das haben wir alle ge­tragen durch diese un­aus­sprech­lich schweren Jahre.“

Als Denk­mal für ihren ge­fallenen Sohn wurde 1932 die Figuren­gruppe „Trauernde Eltern“ auf dem flandrischen Soldaten­fried­hof in Vladslo auf­gestellt, wo sich auch Peters Grab be­findet. Ob­wohl ihr bild­hauerisches Werk im Gegen­satz zum grafischen Œuvre recht über­schaubar ist, betonte Kollwitz immer wieder, wie viel ihr das plastische Arbeiten be­deutete.

Die Mütter, Blatt 6 der Folge „Krieg“, Holzschnitt 1921/22

Käthe Kollwitz, die vom national­sozialistischen Regime mit einem „inoffiziellen“ Arbeits­verbot be­legt und aus­ge­grenzt wurde, bekannte sich in dieser schweren Zeit zu ihrem lang­jährigen künst­lerischen Weg­begleiter, dem von den National­sozialisten ver­femten Max Liebermann, und nahm als eine der wenigen Kollegen an seiner Beerdigung 1935 teil. Sie selbst starb im Alter von 77 Jahren, nur wenige Tage vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges, in der Ab­geschieden­heit von Moritz­burg bei Dresden. Die Urne mit ihrer Asche wurde ihrem Wunsch gemäß auf dem Zentral­friedhof Berlin-Friedrichs­felde bei­ge­setzt, wo sie im Familien­grab ihre letzte Ruhe fand – das Grab­relief „Ruht im Frieden seiner Hände“ hatte sie selbst ge­schaffen.

Die große Band­breite ihres Schaffens um­fasste so­wohl ernste, schwere Themen wie Not, Krieg, Armut, Hunger und Tod als auch heitere, un­beschwerte Motive wie Liebe und die Ver­bundenheit zwischen Mutter und Kind. Doch besonders mit ihren sozial­kritischen Arbeiten legte sie den Finger in die Wunden der Zeit. Ihre inten­sive Be­schäftigung mit der Druck­grafik und ihr außer­ordent­liches druck­grafisches Können machen sie zu einer künstlerischen Aus­nahme­erscheinung. Ihr gelang es nicht nur, Beruf und Familie zu vereinen. Im Gegensatz zu vielen anderen ihrer zeitgenössischen Künstler­kolleginnen ist ihr Name auch fest in der Kunst­geschichte ver­ankert. Mehr als 50 Jahre lebte und arbeitete die Käthe Kollwitz in Berlin und en­gagierte sich für soziale Gerechtig­keit, Humanität und Frieden. Ihr berührendes und zeit­loses Werk hat von seiner Strahl­kraft bis heute nichts ver­loren.

Der Beitrag, ver­fasst von Kunst­historikerin Neslihan Aslan vom Kollwitz-Museum Berlin, ent­stand für den Museumsblog der Liebermann-Villa am Wannsee.

Plakat „Nie wieder Krieg!“, Kreide- und Pinsellithographie 1924