INTERVENTION in der ständigen Ausstellung:
Kollwitz trifft Kollegen
Bevor das Museum seine endgültigen Ausstellungsflächen im ersten Geschoß des Theaterbaus beziehen kann und so auch wieder Raum für Wechselausstellungen entsteht, werden im Format „Intervention“ kleine, temporäre Sonderausstellungen in die Sammlungspräsentation integriert. Im vergangenen Jahr konnte das Museum in drei „Interventionen“ rare Drucke und einmalige zeichnerische Werke von Käthe Kollwitz aus zwei Privatsammlungen zeigen. In diesem Jahr widmet sich das Haus den Künstlerkollegen von Käthe Kollwitz. In den beiden ersten Interventionen wurden Arbeiten des Bildhauers Wilhelm Loth (1920-1993) und Werke des Tierbildhauers August Gaul (1869-1921) gezeigt. Nun folgen in der dritten INTERVENTION Holzschnitte des Malers und Grafikers Karl Schmidt-Rottluff (1884-1976).
Karl Schmidt-Rottluff zählt zu den herausragenden Vertretern des deutschen Expressionismus und war Mitglied der Künstlervereinigung „Die Brücke“, die gegen die etablierten Vertreter der Berliner Secession aufbegehrte. Der Erste Weltkrieg, an dem der Künstler ab 1915 in Russland teilnehmen musste, führte ihn zu einer Reihe von Holzschnitten mit religiösen Motiven, mit denen er seine Kriegserlebnisse verarbeitete. In einem Brief an den Sammlerfreund Ernst Beyersdorf schrieb er: „Ich habe jetzt sehr den Druck, noch möglichst Starkes zu schaffen – der Krieg hat mir richtig alles Vergangene weggefegt -, alles kommt mir matt vor (…)“
Zehn Holzschnitte des Künstlers aus den Jahren 1914 – 1918 werden dem Zyklus „Krieg“ von Käthe Kollwitz gegenübergestellt, den sie ebenfalls in der Holzschnitttechnik gearbeitet hatte. Der Kriegsausbruch und seine Folgen wirkten stark auf beide Künstler. Eine künstlerische Auseinandersetzung war unumgänglich, beide Künstler entziehen sich jedoch dem Impuls, kriegerische Handlungen darstellen zu wollen. Käthe Kollwitz befasst sich mit den Auswirkungen des Krieges auf die hinterbliebenen Familien. Schmidt-Rottluffs Mappe folgt gar keinem erkennbaren Thema, sondern setzt unbeschwerte Motive neben nachdenkliche Darstellungen. Die Blätter wurden von Schmidt-Rottluff für eine vom Galeristen I. B. Neumann 1919 herausgegebene Grafikmappe zusammengestellt.
Käthe Kollwitz‘ anfängliche Zurückhaltung gegenüber den Expressionisten war nach dem Ersten Weltkrieg, vor allem nachdem sie selbst mit der Holzschnitt-Technik begonnen hatte, verflogen. In ihrem Tagebuch notierte sie am 31. März 1920: „Erster Jurytag. Kolbe, Mosson, Scheibe, Schmidt-Rottluff, Pechstein, Heckel. Sehr gute Beschickung. Viel interessante und gute Sachen. In der Mehrzahl ultramodern. Aber meine Augen haben sich gewöhnt, ich kann mit vielen mit, was ich früher gar nicht verstanden hätte.“
1931 wurde Schmidt-Rottluff Mitglied der Preußischen Akademie der Künste, aus der er 1933 aufgrund der nationalsozialistischen Kunstpolitik wieder austreten musste. Seine Kunst wurde als „entartet“ diffamiert und seine Werke aus den deutschen Museen entfernt. Auf der Ausstellung Entartete Kunst 1937 in München wurden zahlreiche seiner Arbeiten gezeigt. Im April 1941 folgte der Ausschluss aus der Reichskammer der bildenden Künste, was einem Berufsverbot gleichkam. Ein Bombentreffer zerstörte im Herbst 1943 sein Berliner Atelier und seine Wohnung.
Schmidt-Rottluffs monochrome Holzschnitte präsentiert das Käthe-Kollwitz-Museum erstmalig im Rahmen dieser Ausstellungsintervention. Wir danken der Stiftung Bernd Schultz in Erinnerung an Hans Pels-Leusden für diese neueste Dauerleihgabe. Die Intention unseres Museumsgründers Hans Pels-Leusden, das Werk von Käthe Kollwitz in Bezug zu ihren Zeitgenossen zu stellen, führen Bernd Schultz und Museumsleiterin Dr. Josephine Gabler durch diese Ausstellungsarbeit fort.
Die INTERVENTION Karl Schmidt-Rottluff läuft vom 19. Oktober 2024 bis Januar 2025.
Rechte aller Werkabbildungen bei © VG BildKunst, Bonn 2024; Stiftung Bernd Schultz in Erinnerung an Hans Pels-Leusden – Dauerleihgabe im Käthe-Kollwitz-Museum Berlin